“Ein Augenblick der Konzentration auf all das, was um mich herum zu sehen, zu hören, zu riechen, zu denken, zu erinnern liegt”.. und man ist versucht, anzufügen, “zu fühlen” ist (Werkdokumentation “Innenraum - Aussenraum”, 2018)
Auf ihrem Weg zur Kunst hat auch Sara Rohner selber einen vielleicht eher dunklen Gang durchquert. Sie arbeitete zunächst ein Jahr in der psychiatrischen Klinik des C.G.Jung-Instituts in Zürich. Der Gründer war damals schon über 20 Jahren verschieden und Rohner sagt, ihr Aufenthalt in seinem Dunstkreis sei “lange her”. Der Schreibende dagegen glaubt, dass solche am Beginn des erwachsenen Lebens gemachte Erfahrungen unauslöschliche Spuren hinterlassen müssen. In einer Aphorismen-Sammlung des Walter Verlags (1986) sagt Jung: “Psychische Erfahrungen wurzeln nicht nur im Aussen, … Es gibt ein irrationales, inneres, psychisches Leben, …, von dem fast niemand mehr etwas weiss”. Und in derselben Sammlung weiter: “Religionen stehen nach meiner Ansicht mit allem, was sie sind und aussagen, der menschlichen Seele so nahe, dass am allwenigsten die Psychologie sie übersehen darf.” Und wie machte Rohner weiter ? Sie studierter 5 Jahre Theologie. Auf einer dreimonatigen Reise bis in entlegene Gebiete Chinas während der Studentenunruhen im Jahr 1989 beschloss die Künstlerin, ihr Theologiestudium abzubrechen. Danach absolvierte sie eine fünfjährige Ausbildung an der Hochschule für Gestaltung Zürich (heute Zürcher Hochschule der Künste ZHdK). In den seither vergangenen über 20 Jahren entstand ein weitläufiges Werk als Spiegel eine langen Gangs durch Aussen- und Innenräume, in Form intimer Bilder der Pflanzen ihres reichen Gartens (“Je suis le jardin”, Video Juli 2018) - aber auch in Form von austeren Traumbildern aus der Seele der Menschen. Nachdem die Kunst als Apotheose von weltlicher und geistlicher Domination nach dem Ende des Feudalismus in die Museen abgewandert war, nachdem die aesthetische Entwicklung über alle Varianten des Im- und Ex-pressionismus zur Abstraktion geführt hatte, kamen Duchamp und seine Nachfolger bis heute, welche die Kunst zeitgeistig in ein kortikales Konzept verwandelten. Das Ende der Malerei wurde vorausgesagt (Crimp 1981). Doch im Gegenteil - diese wird schon seit geraumer Zeit neu erfunden, in allen Varianten von Methapher, Expression und Stil. In einem Teil ihres Werks schafft Rohner mehrdeutige Werke von reiner Poesie, wie in der aktuellsten Serie, wo aus der bildlichen Wiedergabe eines Traums von einem Tisch mit kultisch gekleideten Personen mit der Anmutung eines Abendmahls (!) eine Landschaft mit sandigen, spitzen Gipfeln aber auch mit üppigen Wiesen wird, durchquert von einem langgezogenen Artefakt, vielleicht ein Tisch, vielleicht eine Strasse (ins Jenseits ?). Es sind Beispiele von Seelenmalerei, deren Sinn und Gehalt erst durch die mentale Aktivität der Betrachterinnen und Betracht entsteht. Ohne sich dessen bewusst zu sein, arbeitet die Künstlerin in einem solchen Kontext als Medium sozialer und räumlicher Kognition, einem Forschungsgebiet des Max Planck Institute for Biological Cybernetics über “the representational overlap between human bodies, social properties and space”. Rohner setzt solche Anliegen aus vorsprachlicher Tiefe zu Bildern um, in haptisch sehr wirksamen, in Eitempera gemischten Pigmenten auf mit einer Gesso-ähnlichen Grundierung bedecktem Zeitungspapier. Letzteres ein anspruchloses Wegwerfprodukt, das leicht verfügbar ist und die Verbindung zum Aussenraum symbolisiert. Rohner arbeitet an einer bildnerischen Archäologie der Seele, als deren Vermittler sie den Traum beizieht. In der Traumdeutung zitiert Freud aus Briefen Schillers und folgert, dass “eine ganz ähnliche Einstellung auch die Bedingung der dichterischen Produktion enthalten” muss. Es sind alltägliche Ansichten, die Rohner durch lange, plastische Arbeit nicht verschönt, sondern vertieft. Wir werden nicht belehrt, sondern erwachen vom Traum getröstet und die Tolstoi’sche Frage “Wozu denn Leben, wenn das Leben so furchtbar ist” schimmert höchstens in Verwerfungen von Kleidern oder Landschaften vielleicht hindurch. Träumenkönnen von reineren, klareren Welten. Beat Selz, 13.02.2019 |
Sara Rohner
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